07.
Mai

Ist der Berliner Mietendeckel verfassungswidrig? Hat das Land Berlin die Befugnis, die Mieten in Berlin zu deckeln? Nein, entschied das Landgericht Berlin und lässt diese Frage nun durch das Bundesverfassungsgericht entscheiden (LG Berlin, Vorlagenbeschluss an das Bundesverfassungsgericht vom 12.03.2020, Az. 67 S 274/19 – Download hier ).

Ein Vermieter hatte seinen Mieter mit Erfolg auf Zustimmung zur Mieterhöhung verklagt. Der Mieter ging gegen das Urteil in Berufung, wo er vortrug, dass das Erhöhungsverlangen gegen das Gesetz zur Mietenbegrenzung im Wohnwesen in Berlin (MietenWoG Bln) – besser bekannt als der Mietendeckel – verstoße.

Nach Überzeugung des Landgerichts ist die betreffende Vorschrift des Art. 1 § 3 MietenWoG Bln aber nicht mit dem Grundgesetz vereinbar.

Der Mietendeckel soll die Bestandsmiete zum Stichtag 18.06.2019 einfrieren und es dem Vermieter verbieten, eine Mieterhöhung nach dem Stichtag durchzuführen.

Das Landgericht Berlin ist der Auffassung, dass der Mietendeckel nicht mit dem Grundgesetz vereinbar und deshalb verfassungswidrig und nichtig sei. Dies folge daraus, dass das Land Berlin schon gar nicht die Befugnis habe, ein solches Gesetz zu erlassen. Die gesetzgeberischen Kompetenzen zwischen Bund und Ländern seien im Grundgesetz (GG) ausreichend geregelt und abschließend verteilt. Der Bund habe das Mietrecht bereits, so auch das Recht zur Mieterhöhung und der Mietpreisvereinbarung im preisfreien Wohnraum, in den §§ 556d ff., 557, 558 ff., 559 ff. BGB abschließend geregelt. Somit entfalten diese Regelungen eine Sperrwirkung für jeden Landesgesetzgeber und damit auch für das Land Berlin. Der Bundesgesetzgeber hat insbesondere durch die sog. „Mietpreisbremse“ in den §§ 556d ff. BGB ein ausdifferenziertes Regelungssystem geschaffen. Demnach sind Neuvermietungsmieten auf 110 % der ortsüblichen Vergleichsmiete beschränkt. Diese Gesetzeskompetenz des Bundesgesetzgebers für das Bürgerliche Recht hat das Bundesverfassungsgericht 2019 für verfassungsgemäß gehalten und damit dessen Wirksamkeit bestätigt.

Dem stehe auch nicht entgegen, dass § 556d Abs. 2 BGB der jeweiligen Landesregierung eine Ermächtigung zum Erlass einer Rechtsverordnung verleiht, wovon der Berliner Senat mit Erlass der Mietenbegrenzungsverordnung aus 2015 im Übrigen auch schon Gebrauch gemacht hat.

Auch die Erhöhung einer laufenden Miete während des laufenden Mietverhältnisses habe in den §§ 557 ff. BGB eine abschließende bundesrechtliche Regelung für nicht preisgebundene Mietverhältnisse gefunden. Hier hatte der Bund das sog. „Vergleichsmietensystem“ geschaffen, wonach dem Vermieter erlaubt wird, die Miete bis zur ortsüblichen Vergleichsmiete zu erhöhen.

Der Bundesgesetzgeber habe im Ergebnis auf dem Feld des Mietrechts abschließende Regelungen getroffen.

Zum anderen könne das Land Berlin auch keine Gesetzgebungskompetenz aus dem Kompetenztitel für das sog. „Wohnungswesen“ ableiten. Das Landgericht ist der Auffassung, das Land Berlin verkenne hier bereits das im Rechtsstaatssystem verankerte Grundkonzept der konkurrierenden Gesetzgebung sowie das von jedem Land zu berücksichtigende Gebot der bundesstaatlichen Rücksichtnahme und schließlich auch der Widerspruchsfreiheit von Bundes- und Landesrecht. Umfasst von dieser Kompetenz sei, nach Überzeugung des Landgerichts, nicht die Zuständigkeit des Landes Berlin für das Wohnungsmiet- und Mietpreisrecht, sondern lediglich die Kompetenzen zur Regelung u.a. des Wohngeld-, Wohnungsbauprämienrechts sowie des Rechts der sozialen Wohnraumförderung oder auch das Wohnungsbindungs- und das Zweckentfremdungsrecht im Wohnungswesen.

Folglich sei das Land Berlin in seinen Kompetenzen im Bereich des Mietrechts derart eingeschränkt, dass es ihm untersagt sei, hier durch eigene landesspezifische Regelungen die konzeptionellen Entscheidungen des Bundesgesetzgebers zu verfälschen.

Sollte das Bundesverfassungsgericht die Überzeugung des Landgerichts Berlin bestätigen, hätte dies zur Folge, dass der Mietendeckel in Berlin Geschichte wäre und Vermieter die Miete wieder im Rahmen des Gesetzes anheben können.

Am 06.05.2020 haben zudem die Bundestagsfraktionen von CDU/CSU sowie der FDP die Normenkontrolle des Mietendeckels vor dem Bundesverfassungsgericht beantragt. Der Vorwurf ist auch hier die mangelnde Gesetzgebungskompetenz des Landes Berlin.

 

Jochen Mittenzwey
Rechtsanwalt
Fachanwalt für Bau- und Architektenrecht
MO45LEGAL – Bschorr | Warneke | Sukowski GbR
Rechtsanwälte und Notare
mittenzwey@mo45.de