15.
Mai

Der Bundesgerichtshof (BGH) hat sich am 14.5.2020 mit der Frage auseinandergesetzt, ob das zwingende Preisrecht der Honorarordnung der Architekten und Ingenieure (HOAI) nach dem Urteil des Europäischen Gerichtshofes (EuGH) vom 4.7.2019 im Vertragsverletzungsverfahren gegen die Bundesrepublik Deutschland (Az.:C-377/17) weiterhin zwischen Privaten angewendet werden kann, solange der Gesetzgeber keine Abhilfe geschaffen hat.

Nach dem vorgenannten Urteil des EuGH verletzt das zwingende Preisrecht der HOAI Unionsrecht, genauer die EU-Dienstleistungsrichtlinie. Die Bundesregierung ist damit zum Handeln gezwungen und muss nun das nationale Recht entsprechend der EU-Richtlinie anpassen. Die Frage ist, wie sich die Entscheidung des EuGH auf laufende und zukünftige Gerichtsverfahren, in denen die HOAI Mindest- und Höchstsätze eine entscheidungserhebliche Rolle spielen, auswirkt. Hierzu ist es in der Oberlandesgerichtlichen Rechtsprechung zu vollkommen konträren Entscheidungen gekommen. Das OLG Celle und das OLG Düsseldorf halten eine weitere Anwendbarkeit des zwingenden HOAI-Preisrechts für ausgeschlossen, während das OLG Hamm und das Berliner Kammergericht für eine Anwendbarkeit zwischen Privaten ist, solange kein EU-Auslandsbezug bei den Vertragsparteien besteht.

So war in dem Verfahren vor dem OLG Hamm eine Pauschalhonorarvereinbarung Gegenstand, die die Mindestsätze der HOAI unterschritt. Der Architekt beruft sich auf die Unwirksamkeit der Pauschalhonorarvereinbarung wegen der Unterschreitung der Mindestsätze und klagt das Honorar auf Basis der Mindestsätze ein. Der Auftraggeber ist der Auffassung, dass sich der Architekt nach dem obengenannten EuGH Urteil nicht mehr auf die Mindestsatzunterschreitung berufen kann. Der Architekt müsse sich an dem Pauschalhonorar festhalten lassen. Die erste Instanz sowie auch das OLG Hamm in der Berufungsinstanz gaben dem Architekten Recht. Der Auftraggeber ging in Revision vor den BGH.

Der BGH neigt der Ansicht des OLG Hamm zu folgen. Demnach wäre die gesamte HOAI weiterhin zwischen Privaten anwendbar, vgl. Pressemitteilung des BGH, Nr. 059/2020 v. 14.5.2020.

Der Architekt hätte dann mit seiner Honorarklage Erfolg.

Da aber nicht zweifelsfrei feststeht, ob die EU-Dienstleistungsrichtlinie im Rahmen von laufenden Gerichtsverfahren zwischen Privaten unmittelbar angewandt werden kann, hat der BGH die Angelegenheit dem EuGH vorgelegt.

Im Ergebnis ist die Anwendbarkeit des zwingenden Preisrechts der HOAI zwischen Privaten weiterhin ungewiss. Vertragsparteien ist daher empfohlen sich nicht mehr auf die zwingenden HOAI-Mindest- und Höchstsätze sowie dem Schriftformgebot für Pauschalhonorarvereinbarungen zu verlassen, solange die Entscheidung des EuGH hierzu nicht vorliegt. Vielmehr sollte eine konkrete vertragliche Regelung getroffen werden, die keine Zweifel entstehen lässt.

Michael Ch. Bschorr
Rechtsanwalt und Notar / Gesellschafter
Schlichter und Schiedsrichter nach der SO-Bau
MO45LEGAL – Bschorr | Warneke | Sukowski GbR
Rechtsanwälte und Notare
bschorr@mo45.de

Jochen Mittenzwey
Rechtsanwalt
Fachanwalt für Bau- und Architektenrecht
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