18.
November

HOAI 2021 – Das Ende des Preisregimes

1. Allgemeines

Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat zum Aktenzeichen C-377/17 am 04.07.2019 einen Verstoß der Bundesrepublik Deutschland (BRD) gegen die EU-Dienstleistungsrichtlinie 2006/123/EG durch das zwingende Preisrecht der Honorarordnung für Architekten und Ingenieure (HOAI) festgestellt. Die BRD war deshalb zum Handeln auf Gesetzgebungsebene gezwungen.

Der EuGH hat zwar den Standpunkt vertreten, dass verbindliches Preisrecht für Architekten- und Ingenieurleistungen nicht allgemein und immer gegen EU-Recht oder die Dienstleistungsrichtlinie verstoßen müsse.

Er kam jedoch für den Fall der HOAI zu einem Rechtsverstoß, da Sinn und Zweck des zwingenden Preisrechts – nämlich die Sicherung der Qualität am Bau, die Transparenz und der Verbraucherschutz – mit der HOAI nicht konsequent umgesetzt worden sei. Es habe insoweit an entsprechend beschränkenden Voraussetzungen an die Qualifikation derjenigen Person gefehlt, welche Planungs- und/oder Überwachungsleistungen am Bau ausführen durften. Ohne entsprechende Einschränkungen war es möglich, dass auch Planer mit weniger ausgeprägter Fachkompetenz als die eines Architekten oder Ingenieurs Bauvorlagen einreichen konnten.

Die Bundesregierung hat einen einfachen Weg der Abhilfe gewählt und den Mindest- und Höchstpreischarakter der HOAI mit der HOAI 2021 beseitigt. Honorarparameter sollen den Vertragsparteien nur noch eine unverbindliche Orientierungshilfe bei der Gestaltung von Honorarvereinbarungen geben.

Die neue HOAI soll für Verträge ab dem 01.01.2021 gelten. Eine Übergangsregelung für aktuelle Verträge bzw. aktuell anhängende Rechtsstreitigkeiten wird es nicht geben. Für all die Fälle, für die die HOAI 2013 bzw. noch frühere Versionen weiterhin gelten, wird es daher darauf ankommen, wie sich der EuGH zu der Frage positioniert, ob das zwingende Preisrecht der HOAI für Altverträge weiterhin gültig sein soll oder nicht. Die Beantwortung diese Frage wird enorme Bedeutung für die Beurteilung offener Streitfragen zu Altverträgen haben.

Nachfolgend stellen wir Ihnen die wichtigsten Neuerungen/Änderungen der HOAI vor:

2. Wegfall Mindest- und Höchstpreischarakter

Die wichtigste Neuerung stellt die Streichung der verbindlichen Honorarmindest- bzw. ‑höchstsätze für die Grundleistungen dar. Insofern soll den Parteien nur noch eine unverbindliche Orientierungshilfe an die Hand gegeben werden. Die Parteien können ein Honorar auch nach selbstgewählten Maßstäben frei vereinbaren.

2.1    Örtlicher Geltungsbereich ausgedehnt

Ist in der HOAI 2013 in § 1 noch geregelt, dass die HOAI nur für Büros mit Sitz im Inland für Leistungen vom Inland aus gelten solle, so fällt diese Beschränkung nun weg. Der örtliche Geltungsbereich soll nicht mehr auf das Inland beschränkt sein.

2.2    Sachlicher Geltungsbereich bleibt

In § 3 Abs. 1 HOAI 2013 ist geregelt, dass die HOAI für Grundleistungen der Flächen-, Objekt- und Fachplanung gilt und dass diese Grundleistungen grundsätzlich in Leistungsbildern dargestellt sind. Hieran wird sich im Grunde auch in der neuen HOAI nichts ändern. Die Leistungsbilder werden aber zu reinen Orientierungshilfen.

2.3    Honorarberechnungssystematik bleibt

Die Regelungen zu den Leistungsbildern, den anrechenbaren Kosten, den Honorarzonen (weiterhin nach Schwierigkeitsgrad gegliedert) und die Honorartafeln bleiben im Wesentlichen bestehen, dienen aber nur noch als Orientierungshilfe.

2.4    Umbauzuschlag nur noch widerleglich vermutet

Gemäß § 6 Abs. 2 Satz 3 HOAI 2013 gilt noch die unwiderlegliche Vermutung, dass die Parteien einen Umbauzuschlag in Höhe von 20 % vereinbart haben, wenn keine abweichende schriftliche Vereinbarung besteht. Nach § 6 Abs. 2 Satz 3 der HOAI 2021 wird nun lediglich widerleglich vermutet, dass die Parteien sich mangels abweichender schriftlicher Vereinbarung auf einen Umbauzuschlag in Höhe von 20 % geeinigt haben. 

2.5    Verbindliche Honorarsätze fallen ersatzlos weg

Sofern in der HOAI 2013 noch verbindliche Regelungen für Grundleistungen der Flächen-, Objekt- und Fachplanung (vgl. § 3 Abs. 1 HOAI 2013) enthalten waren, fallen sämtliche dieser verbindlichen Regelungen in der neuen HOAI weg. Die Honorartafeln geben Honorarspannen vom Basishonorarsatz bis zum oberen Honorarsatz lediglich zur Orientierung an. Neu ist dabei auch der Basishonorarsatz. Dieser entspricht allerdings weitestgehend dem bisherigen Mindestsatz.

2.6    Honorarvereinbarung ist frei und nach Projektstart möglich

Nach der HOAI 2013 musste eine wirksame Honorarvereinbarung nach § 7 Abs. 1 schriftlich und spätestens bei Auftragserteilung erfolgen. Die Honorarvereinbarungen mussten sich im Regelfall im Rahmen zwischen den Mindest- und Höchstsätzen bewegen. Nun können Honorare frei auch nach Auftragserteilung bzw. nach Leistungsbeginn vereinbart werden. Es reicht auch die Textform aus.

Der neue § 7 Abs. 1 Satz 2 sieht eine Fiktion vor, wonach der Basishonorarsatz als vereinbart gelten soll, wenn eine Honorarvereinbarung nicht in Textform getroffen wurde. Hiermit sollen Auseinandersetzungen zwischen Architekten/Ingenieuren und ihren Auftraggebern vermieden werden.

2.7    Hinweispflichten

In der HOAI 2013 fanden sich keinerlei Regelungen zu Hinweispflichten zu Fragen der Honorarhöhe. § 7 Abs. 2 HOAI 2021 sieht nun eine Hinweispflicht des Architekten/Ingenieurs darauf vor, dass ein Honorar frei vereinbart werden sowie auch unter dem HOAI Basissatz liegen kann und die HOAI-Berechnungsmaßstäbe eben nur noch Orientierungsmarken vorgeben. Der Planer muss den Verbraucher vor Vertragsschluss entsprechend aufklären.

2.8    Erfolgshonorar in Textform vereinbar

7 Abs. 6 zum Zusatzhonorar bei Kostensenkung bzw. bei einem Malus-Honorar bei Kostenüberschreitung bleibt inhaltlich in § 7 Abs. 3 (neu) unverändert und setzt nun nur noch die Textform für Vereinbarungen voraus.

2.9    Keine Schriftform für Honorarvereinbarungen bei Leistungsänderungen

Soweit nach den § 10 Abs. 1 und 2 für die Anpassung des Honorars noch eine schriftliche Vereinbarung Voraussetzung war gilt nun die Textform als Voraussetzung.

2.10  Instandhaltung und Instandsetzung

In § 12 HOAI 2013 wurde die Ergänzung „zur Honorarorientierung“ eingefügt.

2.11  Keine Fälligkeitsregelung mehr

Die Fälligkeitsregelung in § 15 der HOAI 2013 wurde ersatzlos gestrichen.

3. Empfehlung

Wegen der Unverbindlichkeit der neuen HOAI Vorgaben und wegen der deutlich gelockerten Formvorschriften ist Vorsicht geboten. Die Vereinbarung belastbarer und klarer Honorarvereinbarungen bzw. Planerverträge gewinnt mit der HOAI 2021 erheblich an Bedeutung. Zu empfehlen ist in diesem Zusammenhang auch, dass die Vereinbarung wichtiger Regelungen in bloßer Textform vermieden werden sollte. Es ist stets die Schriftform schon wegen ihrer Warnfunktion vorzuziehen. Entsprechende Schriftformklauseln in den Verträgen sollten genutzt werden um z.B. die Gefahren aus einem vorschnellen bzw. nichtautorisierten E-Mail-Verkehr zu entschärfen. Der Gedanke, dass ein umfassendes und langfristiges Vertragsverhältnis zu einem Planungsauftrag aus einer Vielzahl von E-Mails, SMS- oder WhatsApp-Nachrichten definiert wird, legt hier ein konsequentes Vertragsmanagement nahe.

Michael Ch. Bschorr
Rechtsanwalt und Notar
MO45LEGAL – Bschorr | Warneke | Sukowski GbR
Rechtsanwälte und Notare
bschorr@mo45.de

Jochen Mittenzwey
Rechtsanwalt und Fachanwalt für Bau- und Architektenrecht
MO45LEGAL – Bschorr | Warneke | Sukowski GbR
Rechtsanwälte und Notare
mittenzwey@mo45.de