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19.
Dezember

Nachträge sind mit Bauhandwerkersicherheit sicherbar!

Grundsatzurteil BGH, Urteil vom 20.10.2022 – VII ZR 154/21
§ 648a BGB a.F.; § 650f BGB

Das Verlangen einer Bauhandwerkersicherheit gemäß § 648a BGB a.F.; § 650f BGB ist für den Bauunternehmer ein scharfes Schwert. Der Bauunternehmer kann von seinem Auftraggeber eine solche Sicherheit in Höhe der noch ausstehenden Vergütung + 10% verlangen, ohne dass dafür ein Grund vorliegen müsste. Mängeleinwände des Auftraggebers haben keinen Einfluss darauf, solange die Mängel streitig oder nicht rechtskräftig festgestellt sind. Ferner sollen die Gerichte Klagen von Bauunternehmern auf Stellung einer Sicherheit beschleunigt und ohne Beweisaufnahme entscheiden. Nach dem gesetzgeberischen Willen und gefestigten Rechtsprechung ist allein die schlüssige Darlegung der noch ausstehenden Vergütung Voraussetzung für eine erfolgreiche Klage. Dem vorleistungsverpflichteten Bauunternehmer soll damit ein schnelles und wirksames Sicherungsmittel für seine Vergütungsansprüche an die Hand gegeben werden. Umstritten war jedoch bislang die Frage, ob auch Nachträge, bei denen zwischen Bauunternehmer und Auftraggeber keine Einigung über die Vergütungshöhe erzielt werden konnte, mit der Bauhandwerkersicherheit abgesichert werden können.

Für Bauverträge die die Regelungen der VOB/B einbezogen haben hat die überwiegende Meinung in der Literatur vertreten, dass die Vergütung in Bezug auf Nachträge nach § 2 Abs.5 oder 6 VOB/B iVm § 1 Abs.3 oder 4 Satz 1 VOB/B auch von dem Sicherungsanspruch nach § 648a BGB a.F. bzw. § 650f BGB umfasst sind, vgl. beispielhaft: Beck´scher VOB/B Kommentar/Funke, 3. Auflage, Vorbemerkung § 2 Rn. 336; Koeble in Kniffka/Koeble/Jurgeleit/Sacher, Kompendium des Baurechts, 5. Auflage, ). Teil Rn. 128; Rodemann/Bschorr, BauR 2013, 845, 846ff. Allerdings hatte sich auch eine Gegenmeinung in der Literatur gebildet, die einen solchen Anspruch nicht vom Sicherungsrecht umfasst sah.

Der BGH hat sich in seinem Grundsatzurteil vom 20.10.2022 – VII ZR 154/21 – nunmehr der ersteren Auffassung angeschlossen und die Sicherungsfähigkeit solcher Nachtragsansprüche bejaht. Vergütungsansprüche nach § 2 Abs.5 oder 6 VOB/B sind – auch wenn sie der Höhe nach streitig sind – vom Sicherungsanspruch des § 648a BGB a.F. / § 650f BGB umfasst. Wenn die Vertragsparteien die Regelungen der VOB/B vereinbart haben, haben sie auch das einseitige Bestimmungsrecht des Auftraggebers in § 1 Abs.3 und 4 VOB/B vereinbart. Der einklagbare Anspruch auf eine zusätzliche Vergütung entsteht daher bereits mit der Ausübung dieses einseitigen Bestimmungsrechts. Der Bauunternehmer ist zur Ausführung dieser angeordneten Leistungen verpflichtet. Die Höhe der Vergütung richtet sich im Streitfalle ebenfalls nach den Regelungen der VOB/B, sodass die Vergütungshöhe für diese Nachtragsleistungen bestimmbar ist. Allein das ist für den Anspruch auf Sicherheit nach § 648a BGB a.F. bzw. § 650f BGB ausreichend.

Eine insgesamt begrüßenswerte Entscheidung, die dem Regelungssystem der VOB/B gerecht wird.

Jochen Mittenzwey
Rechtsanwalt und Fachanwalt für Bau- und Architektenrecht / Gesellschafter
MO45LEGAL – Bschorr | Warneke | Sukowski GbR
Rechtsanwälte und Notare
mittenzwey@mo45.de