Rechtsprechungsänderung! OVG sagt nein! Keine Grundrissänderung im Milieuschutz!
Oberverwaltungsgericht Berlin Brandenburg, Urteil vom 14.12.2023 – OVG 10 B 19.19
vorgehend Verwaltungsgericht Berlin, Urteil vom 31.10.2019 – 13 K 19.16 (aufgehoben).
Nachdem die 13. Kammer des Berliner Verwaltungsgerichts in einem speziellen Fall der Grundrissänderung keine Verdrängungsgefahr erkennen konnte und den Bezirk (Pankow) zur Ausstellung der milieuschutzrechtlichen Genehmigung verpflichtete, hob das Oberverwaltungsgericht Berlin Brandenburg (kurz: OVG) diese Entscheidung wieder auf. Grob verkürzt ging es um einen achtgeschossigen Neubau der sinnvoll an ein Bestandsgebäude angeschlossen werden sollte. Den Ein- und Zweizimmerwohnungen des Bestandsgebäudes sollten jeweils 10-12 qm der Wohnfläche aus dem Neubau zugeschlagen werden. Die Wohnungen im Bestandsbau würden sich dadurch vergrößern, die Zimmeranzahl aber erhalten bleiben. Das Verwaltungsgericht konnte seinerzeit keine von dieser Vergrößerung ausgehende Verdrängungsgefahr erkennen. Der Bezirk Pankow hatte eine dafür notwendige Prognose schlicht nicht angestellt, sondern sich pauschal auf seine Antragsprüfkriterien berufen. Diese stufen eine Grundrissänderung als eine nicht zu genehmigende verdrängungserhebliche Maßnahme ein. Das Verwaltungsgericht erkannte aber, dass es aufgrund der gleichbleibenden Zimmeranzahl nicht zu einem Entzug von bestimmten Wohnungen am Wohnungsmarkt kommen würde, sodass eine Verdrängungsgefahr bezweifelt wurde. Nach dem Verwaltungsgericht komme es auf eine potentielle Mieterhöhung bei der Beurteilung der Zulässigkeit einer Maßnahme im Milieuschutz nicht an. Ferner sei auch für eine Vorbildwirkung nichts ersichtlich.
Diese begrüßenswerte Entscheidung der 13. Kammer des Berliner Verwaltungsgerichts wurde nun vom OVG aufgehoben.
Das OVG sah bereits in der Flächenvergrößerung der Bestandswohnungen eine Verdrängungsgefahr. Mit der hinzukommenden Wohnfläche gehe auch unmittelbar eine Mieterhöhung einher, die sich Mieter nicht mehr leisten könnten und daher aus der Wohnung ausziehen müssten. Begründet wird dies mit der Anwendbarkeit des Berliner Mietspiegels, der die Nettokaltmiete pro qm ausweise. Demnach könne bei einem Flächenzuwachs auch mehr Miete verlangt werden. Die vom OVG errechnete Mieterhöhung stelle sich danach auch als erheblich im Vergleich zur vorherigen erzielbaren Miete dar.
Darüber hinaus würden die Wohnungen in ihrer erweiterten Größe dann nicht mehr einer angemessenen Wohnungsgröße bei einem Leistungsbezug beispielsweise nach SGB II (Grundsicherung, Bürgergeld) entsprechen, sodass die Anmietung einer solchen Wohnung bei Bezug von Leistungen nach SGB II erschwert oder gar verhindert wäre.
Zudem sei bei der Beurteilung der Verdrängungsgefahr aufgrund der abstrahierenden Betrachtungsweise, jede nicht nur unerhebliche Grundrissänderung durch Flächenzuwachs in Bestandswohnungen allgemein zu betrachten und nicht nur auf Ein- und Zweizimmerwohnungen zu beschränken.
Außerdem ließ das OVG nicht gelten, dass mit den bisherigen Mietern eine Vereinbarung geschlossen worden ist, dass durch die Grundrissänderungen die Miete nicht erhöht wird. Die Beurteilung, ob eine Maßnahme geeignet ist eine Verdrängungsgefahr darzustellen wird abstrakt und unabhängig davon ermittelt, ob eine Wohnung z.B. leer steht oder der Mieter mit den Maßnahmen einverstanden wäre oder auch ob vereinbart wird, dass mit der Grundrissänderung keine Mieterhöhung einhergeht.
Eine Einzelfallentscheidung in Bezug auf einen a-typischen Fall hat das OVG mit dem Argument abgelehnt, da es noch ca. 25 weitere Grundstücke im Erhaltungsgebiet „Kollwitzplatz“ gibt bei denen eine ähnliche bauliche Umsetzung mit dem Neu- und Anbau eines Seitenflügels realisiert werden könnte. Damit sei eine Vorbildwirkung belegt, die sich nicht auf eine nur hier gegebene a-typisch „bautechnisch bedingte Grundrissvergrößerung“ beschränke.
Jochen Mittenzwey
Rechtsanwalt und Fachanwalt für Bau- und Architektenrecht / Gesellschafter
MO45LEGAL – Bschorr | Warneke | Sukowski GbR
Rechtsanwälte und Notare
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