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04.
April

HOAI 2009 / 2013: Die Aufstockungsklage – auch bei öffentlichem Auftraggeber möglich!

Bundesgerichtshof, Beschluss vom 14.02.2024 – VII ZR 221/22

Ob die zwingenden Mindest- und Höchstsätze der HOAI 2009/2013 nach der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH, Urteil vom 04.07.2019 – Rs. C-377/17) noch von deutschen Gerichten angewendet werden dürfen, erhitzte die Gemüter der Auftraggeber und Architekten immer dann, wenn der Architekt sein Honorar mit einer sogenannten Aufstockungsklage statt nach dem niedrigeren Pauschalhonorar, nach den Mindestsätzen der HOAI 2009/2013 abzurechnen versuchte.

Nachdem der EuGH im Vertragsverletzungsverfahren gegen die Bundesrepublik Deutschland festgestellt hat, dass das zwingende Preisrecht der HOAI 2009/2013 (u.a. zwingende Mindest-/Höchstsätze) gegen EU-Recht verstößt, stellte sich die Frage, ob dieses zwingende Preisrecht der HOAI von einem deutschen Richter noch angewandt werden darf oder er so entscheiden müsste, als wenn diese Regelungen nicht existent wären. Sofern die Richter das zwingende Preisrecht noch anwenden dürfen, könnten Architekten sich bei ihrer Schlussrechnung auf die zwingenden HOAI-Mindestsätze berufen und damit ihr einst vereinbartes Pauschalhonorar teilweise verdoppeln. Vom EuGH erging sodann eine weitere Entscheidung (EuGH, Urteil vom 18.01.2022 – Rs. C-261/20, so auch BGH, Urteil vom 02.06.2022 – VII ZR 229/19), wonach zumindest in Vertragsverhältnissen zwischen Privaten ohne EU-Auslandsberührung, das zwingende HOAI-Preisrecht noch angewandt werden darf. In diesen Konstellationen war der Weg für die Aufstockungsklagen damit wieder frei. Die deutsche Rechtsprechung erklärte dies jedoch nicht für Vertragsverhältnisse mit öffentlichen Auftraggebern für anwendbar. Daher wurde vertreten, dass Aufstockungsklagen gegen den öffentlichen Auftraggeber nicht möglich sind, da in diesen Vertragsverhältnissen das zwingende Preisrecht der HOAI nicht mehr angewendet werden dürfte.

Der BGH hat nun auch für diese Konstellation entschieden, dass das zwingende Preisrecht der HOAI 2009/2013 – soweit einschlägig – anzuwenden ist. Der BGH begründet dies damit, dass sich ein Staat (und alle dazugehörenden Subjekte), bei einer gegen ihn gerichteten Aufstockungsklage, nicht zu seinem Vorteil auf die unmittelbare Wirkung der EU-Richtlinie berufen kann, weil er selbst es unterlassen hat, diese in deutsches Recht umzusetzen. Anderenfalls könnte er aus einer Pflichtverletzung einen Vorteil für sich ziehen, was abzulehnen ist. Wenn sich ein Staat auf die EU-Richtlinie berufen möchte, dann muss er diese vorher auch in eigenes Recht umsetzen. Damit sind Aufstockungsklagen auch gegen öffentliche Auftraggeber möglich, sofern die HOAI 2009/2013 Anwendung findet. Ein erheblicher Gewinn für Architekten.

Jochen Mittenzwey
Rechtsanwalt und Fachanwalt für Bau- und Architektenrecht / Gesellschafter
MO45LEGAL – Bschorr | Warneke | Sukowski GbR
Rechtsanwälte und Notare
mittenzwey@mo45.de