Entwicklung von Immobilien in sozialen Erhaltungsgebieten
Der Rückbau, die Änderung und Nutzungsänderung sowie die Begründung von Wohnungs- und Teileigentum steht in sozialen Erhaltungsgebieten unter Vorbehalt der Genehmigung des Bezirks/der Gemeinde, vgl. § 172 Abs.1 Nr.2 BauGB. Nicht alle Maßnahmen sind genehmigungsfähig. Nachfolgende Übersicht zeigt die einzelnen Szenarien auf, die im Genehmigungsverfahren möglich sind. Da das Genehmigungsverfahren sehr komplex ist und auch auf Seiten des Bezirks/der Gemeinde erhebliche rechtliche Unsicherheiten bezüglich der Genehmigungsfähigkeit der einzelnen Maßnahmen bestehen, empfiehlt sich schon bei der Antragstellung eine fundierte juristische Beratung.
1. Abriss/Rückbau
In Milieuschutzgebieten ist die Genehmigung für ein Abrissvorhaben zu erteilen, wenn die Erhaltung der Anlage nicht mehr zumutbar ist. An die Annahme einer wirtschaftlichen Unzumutbarkeit sind jedoch hohe Anforderungen geknüpft. Insoweit gilt das zur Aufteilung Gesagte. Es kommt auf den Erhaltungszustand und die Erhaltungsmöglichkeiten der Immobilie an. Für eine wirtschaftliche Unzumutbarkeit müssen die Kosten der Erhaltung und Bewirtschaftung dauerhaft und spürbar die Erträge übersteigen.
2. Umbau/Ausbau
In Milieuschutzgebieten ist ein Um- bzw. Ausbau nur in engen Grenzen erlaubt. Hierzu zählt § 172 Abs. 4 Satz 3 BauGB Konstellationen auf, in denen eine Genehmigung zu erteilen ist:
- Die Herstellung eines zeitgemäßen Ausstattungsstandards einer durchschnittlichen Wohnung unter Berücksichtigung der bauordnungsrechtlichen Mindestanforderungen.
Bei der Ermittlung, was ein zeitgemäßer Ausstattungsstandard einer durchschnittlichen Wohnung ist, ist problematisch, was hier als Vergleich heranzuziehen ist. Zum Teil wird auf das Milieuschutzgebiet selbst abgestellt. Es wird aber auch vertreten, nicht auf das geschützte Wohngebiet abzustellen, sondern einen allgemeinen Vergleichsmaßstab anzusetzen. - Die Anpassung an die Mindestanforderungen der Energieeinsparverordnung ist ausdrücklich zu genehmigen.
Ferner sind nach der Rechtsprechung genehmigungsfähig:
- Bei Eigennutzung durch den Eigentümer oder dessen Familienangehörigen nach Durchführung der Modernisierungsmaßnahmen ist, aufgrund des Eigentümerprivilegs des Art. 14 Grundgesetz, auch ein über dem Durchschnitt liegender Ausstattungsstandard zu genehmigen. Die künftige Eigennutzung muss hierfür aber sichergestellt werden. Als Zeitraum für die Eigennutzung wird meist die Haltefrist von sieben Jahren aus § 172 Abs. 4 Satz 3 Nr. 6 BauGB herangezogen.
- Schaffung von neuem Wohnraum/Dachgeschossausbau.
- Anbau von Fahrstühlen zur Erschließung neuen Wohnraums und wenn die Errichtung von der Bauordnung vorgeschrieben ist.
3. Nutzungsänderung
Bei der Nutzungsänderung ist die Umwandlung von Gewerberaum zu Wohnraum unproblematisch möglich. Andersherum ist eine Nutzungsänderung von Wohn- zu Gewerberaum nicht genehmigungsfähig, da hierdurch Wohnraum entzogen wird.
4. Aufteilung
Für die Begründung von Wohn- und Teileigentum ist die erforderliche Genehmigung gemäß § 172 Abs.4 Satz 2 BauGB u.a. nur zu erteilen, wenn eine Versagung dem Eigentümer wirtschaftlich nicht zumutbar ist. Die Annahme einer wirtschaftlichen Unzumutbarkeit ist an hohe Anforderungen geknüpft und immer objektbezogen zu ermitteln. Es kommt auf die konkrete Immobilie und deren Verwertung, nicht aber auf die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse des Eigentümers an.
Darüber hinaus sind in § 172 Abs. 4 Satz 3 BauGB Fälle aufgezählt, in denen eine Genehmigung zur Begründung von Wohn- und Teileigentum zu erteilen ist. Zu genehmigen ist z.B. die Begründung von Wohneigentum, wenn sich der aufteilende Eigentümer verpflichtet, Wohneigentum/Teileigentum innerhalb von sieben Jahren nur an Mieter zu verkaufen. Bedeutsam wird dies auch im Zusammenhang mit der oben erläuterten Abwendungsvereinbarung zum Vorkaufsrecht. Sehr oft werden in der Abwendungsvereinbarung diese ausdrücklich genehmigungsfähigen Vorhaben ausgeschlossen.
Für Eigentümer von Immobilien, die sich noch nicht in Milieuschutzgebieten befinden, gilt es daher die Bestrebungen des betroffenen Bezirks zu prüfen und entsprechende Vorbereitungen zu treffen.
5. Die Genehmigungskriterien der Berliner Bezirke
Die Bezirke in Berlin beschließen für die einheitliche Bearbeitung von Genehmigungsanträgen für die unter Genehmigungsvorbehalt stehenden Vorhaben in den Milieuschutzgebieten, eigene Genehmigungskriterien. Die Genehmigungskriterien sollen die gesetzlichen Vorgaben konkretisieren. Sie stellen behördeninterne Handlungsanweisungen dar, wie über Genehmigungsanträge zu entscheiden ist. Hier kann es von Bezirk zu Bezirk zu Differenzen kommen. Beispielhaft werden die Kriterien des Bezirkes Neukölln aus dem Bezirksamtsbeschluss vom 7. November 2017 genannt, wann eine Genehmigung nicht erteilt werden soll:
- Einbau/Anbau besonders kostenintensiver Aufzüge/Fassadengleiter.
- Zweites Bad/zweite Dusche/zweites WC; hiervon ausgenommen sind Wohnungen mit vier oder mehr Wohnräumen, wenn die Zahl der Wohnräume durch den Einbau nicht verringert wird.
- Nicht erforderliche Grundrissänderungen; insbesondere bei Veränderung der Wohnfläche und Zimmeranzahl (Wohnküchen, Veränderung von bereits vollausgestatteten Bädern).
- Wohnungsteilungen und Wohnungszusammenlegungen und zwar auch bei Zusammenlegung von bereits bestehendem mit neu geschaffenen Wohnraum (Dachgeschoss-Maisonetteeinheit).
- Maßnahmen zur Energieeinsparungen, die über die Mindestanforderungen der EnEV hinausgehen.
- Anbau von besonders kostenaufwendigen Erstbalkonen; Schaffung von Balkonen, Loggien, Terrassen und Wintergärten, wenn die Wohnung bereits einen Balkon oder eine Terrasse aufweist. Erstbalkone, die eine Grundfläche von 4 qm überschreiten, sind nicht genehmigungsfähig.
- Besonders hochwertige Wohnungs- und Gebäudeausstattung: Fußbodenheizung, Video-Gegensprechanlage, Einbau eines Innenkamins, hochwertige Bad- und Küchenausstattung, bodentiefe Fenster, repräsentative Eingangsbereiche und Treppenhäuser.
- Schaffung von zur Wohnung gehörender Stellplatzanlagen.
- Abriss von Wohngebäuden oder Wohneinheiten, es sei denn, dass die Erhaltung der Anlage nicht mehr zumutbar ist.
- Nutzungsänderung von Wohnraum in Gewerbe.
6. Die exzessive Genehmigungsversagung der Berliner Bezirke
Die Genehmigungspraxis der Bezirke zeigt eine exzessive Auslegung der Genehmigungsverbote. In Pankow wurde die minimale Vergrößerung eines sog. Schlauchbades von 75 auf 110 cm Breite zunächst abgelehnt (siehe Rechtsprechung: Grundrissänderung: Vergrößerung eines Schlauchbad 1.0). Die Verbreiterung ist für die Bewegungsfreiheit der Mieter notwendig, sodass diese für die Duschbenutzung nicht erst über die Toilette steigen müssen. Die Breitenmaße von 75 cm sind noch aus dem 19. Jahrhundert, als Wohnungen noch keine innenliegenden Bäder hatten, und sich Mieter mit einer minimalen Abtrennung zur Küche in Duschwannenbreite beholfen hatten. Dem Bezirk Pankow nach soll dies so bleiben. Eine Verbreiterung des Bades – die nur eine Anpassung an den normalen Ausstattungsstandard bedeutet – kann nach Ansicht des Bezirks Pankow nicht genehmigt werden. An anderer Stelle wurde wiederum zur Schaffung von innenliegenden Bädern auch eine Wohnungszusammenlegung genehmigt. Hier hat jedoch die Rechtsprechung des Berliner Verwaltungsgerichts eine Änderung erfahren. Die Vergrößerung eines Schlauchbades auf 110cm Breite kann nunmehr genehmigt werden, wenn die Bewegungsfreiheit für die Bewohner insoweit fehlt (siehe Rechtsprechung: Grundrissänderung: Vergrößerung eines Schlauchbades 2.0)
Bei der Zusammenlegung von Wohnraum gibt es in der Regel immer Probleme. Nach Ansicht der Bezirke werden dem geschützten Gebiet hierdurch zwei kleine (bezahlbare) Wohnungen entzogen unter Entstehung einer teuren großen Wohnung. Selbst wenn durch die Versagung der Genehmigung eine fest in dem Milieuschutzgebiet verwurzelte Familie verdrängt werden würde, weil sie in ein vollkommen anderes Wohngebiet umziehen müsste, ändert dies nichts an dieser Praxis. Hier steht die Genehmigungspraxis schon im Widerspruch zu den Zielen der Milieuschutzverordnung. Eine hierzu ergangene ablehnende Entscheidung des Verwaltungsgerichts Berlin wurde vom Oberverwaltungsgericht Berlin Brandenburg bestätigt (siehe Rechtsprechung: Keine Zusammenlegung von Wohnungen). Auch bei dem Anbau von Fahrstühlen musste in einem anderen Fall erst eine Entscheidung des Verwaltungsgerichts ergehen, um eine Genehmigung zu erhalten (siehe Rechtsprechung: Anbau von Fahrstühlen erlaubt).
7. Die sogenannten „Verordnungsmieten“
Im Genehmigungsverfahren ziehen manche Bezirke sog. „Verordnungsmieten“ als Prüfungsmaßstab heran. In den „Verordnungsmieten“ hat der Bezirk die jeweiligen Mieten des Milieuschutzgebietes ermittelt. Liegt die zu erzielende Miete nach einer Modernisierung über diesen „Verordnungsmieten“, ist dies für den Bezirk ein Indiz dafür, dass eine Verdrängung im Milieuschutzgebiet droht. Der Bezirk versucht dann im Rahmen des Genehmigungsverfahrens den Antragsteller zu verpflichten, auf die Umlage der Modernisierungskosten auf die Miete zu verzichten. Dies ist jedoch nicht zulässig. Der Bezirk kann die Umlegung der Modernisierungskosten bei Modernisierungsmaßnahmen, die lediglich einer zeitgemäßen Ausstattung entsprechen, nicht unterbinden. Gleiches gilt für die Androhung, die Genehmigung zu versagen, wenn eine entsprechende Mietpreisverpflichtung nicht unterzeichnet wird. Auch hier sollte zunächst eine umfassende rechtliche Prüfung erfolgen und ggf. das Genehmigungsbegehren vor dem Verwaltungsgericht verfolgt werden.