24.
Januar

Milieuschutz – Neues Urteil des VG Berlin: Grundrissänderungen möglich!

Verwaltungsgericht Berlin, Urteil vom 31.10.2019 – 13 K 19.16

Wurde bisher eine erhaltungsrechtliche Genehmigung für Grundrissänderungen in sozialen Erhaltungsgebieten (sog. Milieuschutzgebiete) beantragt, wurde diese meist pauschal mit Verweis auf die entgegenstehenden Antragsprüfkriterien des Bezirks abgelehnt. Das Verwaltungsgericht Berlin hat dieser Verwaltungspraxis nun eine deutliche Absage erteilt.

Folgender Sachverhalt lag dem Verfahren zu Grunde: Ein Bauherr wollte an einem Mehrfamilienhaus einen achtgeschossigen Seitenflügel errichten. Der Seitenflügel sollte acht Zweizimmerwohnungen enthalten. Damit der Seitenflügel sinnvoll an den Bestandsbau angeschlossen werden kann, sollten die Ein- bis Zweizimmerwohnungen im Bestandsgebäude durch den Anbau in ihrer Fläche in den Neubau hinein um ca. 10 bis 12qm vergrößert und damit der Zuschnitt der Wohnungen verändert werden. Eine beantragte erhaltungsrechtliche Genehmigung wurde dem Bauherrn nicht erteilt. Der Bezirk argumentierte damit, dass nach den Antragsprüfkriterien Grundrissänderungen und Wohnungszusammenlegungen grundsätzlich nicht genehmigungsfähig seien. Der Bauherr klagte hiergegen mit Erfolg vor dem Verwaltungsgericht Berlin.

Das Verwaltungsgericht Berlin führt aus, dass von der beantragten Grundrissveränderung keine Verdrängungsgefahr für die vorhandene Wohnbevölkerung ausgeht. Ob eine Baumaßnahme zu einer Verdrängung führt, muss der Bezirk durch eine Prognose in Bezug auf die künftige Entwicklung beantworten. Dies hat der Bezirk hier nicht getan, sondern sich lediglich auf die – bezirksinternen – Antragsprüfkriterien bezogen, wonach Grundrissänderungen und die Zusammenlegung von Wohnungen grundsätzlich nicht zu genehmigen sind. Das Verwaltungsgericht erkannte dagegen, dass durch die beantragte Grundrissänderung keine Verdrängungsgefahr ausgehen könne. Dem Wohnungsmarkt werden keine Wohnungen entzogen. Besonders schützenswerter Wohnraum wird nicht vernichtet. Die Wohnungen existieren nach der Baumaßnahme weiter als Ein- bzw. Zweizimmerwohnungen, lediglich die Größe verändert sich. Somit sind die Wohnungen weiterhin für Alleinstehende oder kleine Familien mit durchschnittlichem oder unterdurchschnittlichem Einkommen vorhanden. In diesem Zusammenhang betont das Verwaltungsgericht nochmals deutlich, dass es auf eine Mieterhöhung durch die Vergrößerungen nicht ankomme, da eine soziale Erhaltungsverordnung (sog. Milieuschutzverordnung) nur eine städtebauliche, nicht aber eine mieterschützende Zielsetzung hat. Auch die hinzukommenden acht Zweizimmerwohnungen können eine Genehmigung nicht verhindern, da hierfür keine erhaltungsrechtliche Genehmigung benötigt wird. Eine entsprechende Genehmigung ist nur für Rückbau, Änderung und Nutzungsänderung – nicht aber für den Neubau – notwendig (ausführlich dazu hier). Ferner konnte das Verwaltungsgericht auch keine Vorbildwirkung für andere Bauvorhaben erkennen. In diesem Zuge bekräftigt das Verwaltungsgericht seine Entscheidung, dass Grundrissänderungen von Bestandswohnungen beim Neubau von Wohnungen möglich sind, wenn sie aus bautechnischen Gründen sinnvoll sind.

Aus den Urteilsgründen ergibt sich eine klare Tendenz, dass Grundrissänderungen nicht mehr per se unmöglich sind. Ergibt sich keine Verdrängungsgefahr für die Wohnbevölkerung sind bautechnisch sinnvolle Grundrissänderungen wohl zu genehmigen.

UPDATE: dieses Urteil wurde vom Oberverwaltungsgericht Berlin Brandenburg aufgehoben.

 

Jochen Mittenzwey
Rechtsanwalt
Fachanwalt für Bau- und Architektenrecht
MO45LEGAL – Bschorr | Warneke | Sukowski GbR
Rechtsanwälte und Notare
mittenzwey@mo45.de